Darf der Postillon mordende Reichsbürger per Satire virtuell hinrichten? Ein kritischer Beitrag.

Dass der Postillon satirische Agenturmeldungen schon lange vor dem deutschen Reich veröffentlicht hat , war bekannt. Doch scheinbar möchte man sich nun in der seit 1845 erscheinenden Zeitung als neuer Bundesgeneralstaatsanwalt geben. 

 

Wie sonst ist folgender Artikel zu erklären?

Da behauptet der Postillon ernsthaft, dass der selbsternannte Reichsbürger Wolfgang P., der einen Polizisten tödlich verletzte, nach den Regeln des Reiches per Guillotine hingerichtet werden sollte. 

 

Der Text wurde von uns wie alle anderen Presselügen des Postillon auf Herz und Nieren geprüft und enthielt im Ergebnis dieselben Unzulänglichkeiten, die wir in fast jeder Agenturmeldung ausmachen. Das fängt damit an, dass der Postillon den Namen des Gerichtssprechers nicht nennt (wohl schlampig recherchiert), geht über die bewußt abgehobene Verwendung des Fremdwortes 'puristisch' weiter (hätte 'schmucklos' nicht gereicht?) und endet in der absurden Ent...äh...Behauptung, dass der mutmaßliche Mörder nach seiner Hinrichtung - höhöhö - so einen Quatsch nicht mehr macht und sich künftig dreimal überlegt, ob er nicht lieber ein rechtsstaatliches Verfahren in Anspruch nimmt. 

 

Letzteres ist ein beim Postillon beliebtes Stilmittel der Übertreibung und dient wohl dazu, auch den ganz einfach gestrickten Lesern klarzumachen, dass es sich um einen Text der Kategorie "Satire" handelt (was nicht immer klappt, wie wir gleich noch sehen werden).  

 

Der Artikel schlug hohe Wellen. Auf der Facebook-Fanpage erntete er 75.000 Likes, eine Menge, die sonst nur Fußballartikel erreichen und bei Twitter knackte man sogar die Marke von 1.000 Herzchen, im Schnitt sind es hier eher um die 500-600. 

 

Sogar bis in die oberen Etagen der Politik wurde man aufmerksam. Der bundesweit bekannte Piratenpolitiker Alex Schestag twitterte umgehend: 

Im weiteren Kommentarverlauf sprach Herr Alex Schestag dem Artikel des Postillon das satirische ab ("...das hat so viel mit Satire zu tun, wie ich mit dem Kaiser von China") und attestierte der Lügenpresse aus Fürth Geschmacklosigkeit. Auch das Zitat von Tucholsky ("Satire darf alles")  möchte der Pirat für den Artikel nicht gelten lassen.

 

Wenn nun also ein so hochdekorierter Politiker der Piratenpartei, die ja nun erwiesenermaßen für grenzenlose Freiheit in Sachen Internet und Meinung kämpfen, diesem Artikel die Satire abspricht, wie beantworten wir dann in unserer Gesellschaft die Frage, ob der Postillon einen mordenden Reichsbürger satirisch virtuell hinrichten darf? 

 

Ganz einfach. Der Postillon darf nicht nur. Er MUSS! 

 

Der Postillon ist der Hofnarr im Pressegefüge und journalistisch ausgleichende Kraft. Er darf und muss das sagen, was in der "normalen" Presse nicht stehen kann und soll:

 

Den selbsternannten Reichsbürger mit all ihren erfundenen Ausweisen und Titeln wie Fürther Floristenfürst den Spiegel vorzuhalten, dass sie - zumindest doch theoretisch - nach derartigen Taten auch konsequenterweise nach Regeln des Reiches bestraft werden sollten. 

 

Natürlich WIRD es ein ordentliches Verfahren auch für diesen Täter geben, das ist ja das tolle an dieser Erfindung namens Rechtsstaat. 

 

Wenn nun aber ein linker Piratenpolitiker diese recht einfache Kernbotschaft nicht aus einem derart kurzen Text herausgeschält bekommt, dann wird uns ein bisschen Bange, wie das selbsternannte Reichsbürger je schaffen sollen. Denn die sind ja im Grunde erste Adressaten des Artikels gewesen. 

 

Dass ganz nebenbei der Postillon seinen eigenen Lesern noch einen Spiegel vorhält, erkennt man übrigens an so manch interessantem Kommentar bei Facebook. Zitat gefällig? 


"Ganz ehrlich? So sollte man es machen. Ihn nach den Reichsgesetzen verurteilen. Wäre auch vielleicht mal ein Wink an die Faschisten und Rassisten, dass es in Deutschland "GmbH" wohl doch nicht ganz so schlecht ist." 

 

Dass man mit solchen entlarvenden Kommentaren von einer individuellen faschistoiden Haltung nicht mehr ganz so weit entfernt ist, ist ebenfalls eine Leistung postillonscher Satire, die es mindestens zu würdigen gilt. 

 

Vielleicht hat der Piratenpolitiker Alex Schestag aber auch einfach einen Schritt weiter gedacht (damit haben wir Satiriker es ja nicht so...): 

 

Im rechtsstaatlichen Verfahren wird der Reichsbürger Wolfgang P. seiner eigenen Fantasiewelt folgend behaupten, dass er natürlich nicht mit dem Fallbeil hingerichtet werden kann. Er habe ja schließlich keinen Polizisten erschossen, sondern einen uniformierten Bückling der Deutschland GmbH. 

 

Und dann ergibt auch wieder alles einen Sinn. Zumindest für ihn. 

SG

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Kommentare: 1
  • #1

    Andreas der Erste (Sonntag, 23 Oktober 2016 22:08)

    Der Postillleaks Redakteur wollte den Artikel gut verstecken: Der Link der Artikelüberchrift und des Wörtchens "Mehr" zeigte auf die Startseite. Sehr gut eingefädelt, dürfte bei manchen zu einer Split-Brain Situation führen. Aber der Link hinter dem Bilchen wurde vergessen. *hihihihihi*

    Und so kann ich ruhigen Gewissens sagen: Erster. Alle anderen klicken sich wohl noch durch die Endlosschleife.

    Liebe Grüße,

    Andreas der Erste